DAUN, 13.12.2022 - 15:17 Uhr
Essen & Trinken - Kultur

Buchvorstellung: American Christmas

Der amerikanische Feiertag Thanksgiving kreist um Truthahn. Sollte man sich davon eine Scheibe abschneiden? Gabi Frankemölle, die sich seit mehr als 20 Jahren bei „USA kulinarisch“ die Vielfalt der US-Küche erkocht, verrät im Interview, welche amerikanischen Festtagsrezepte auch in Deutschland gut ankommen, was ein potluck ist – und was vegetarischen Gästen aufgetischt wird. Die besten Feiertagsrezepte hat sie in dem Buch „American Christmas. Die schönsten Rezepte & Traditionen für eine echt amerikanische Weihnachtszeit“ vorgestellt.

In den USA ist turkey – Truthahnbraten – als Festtagsessen zu Thanksgiving nicht wegzudenken. Diesen Feiertag gibt es in Deutschland nicht, aber zu Weihnachten kommt vielerorts auch Geflügel auf den Tisch: die Weihnachtsgans. Was macht den Truthahn als Variante reizvoll?

Gabi Frankemölle: Zum einen auf jeden Fall, dass es ihn in einer breiteren Größenvielfalt gibt. Ob man nur zwei oder 20 Leute mit dem Braten glücklich machen möchte - mit turkey geht das, auch wenn man nach Bio- oder Freilaufvögeln schon etwas suchen muss. Zum anderen ist Pute – auf Deutsch sagt man ja eher Pute als Truthahn – viel magerer und hat keinen so starken Eigengeschmack wie Gans. Das macht sie in meinen Augen wandlungs- und zugleich mehrheitsfähiger. Gans mag noch lange nicht jeder, Pute schon!

Welche Beilagen gehören zu einem Festmahl mit Truthahn, wenn es original amerikanisch zugehen soll?

Gabi Frankemölle: Sehr viele! Zum Beispiel Kartoffel- oder Süßkartoffelpüree, herbstliche Gemüse wie Kürbis, Karotten, Rosenkohl, oder die berühmte „Green Bean Casserole“, ein rahmig-köstlicher Auflauf aus Bohnen und Pilzen. Dazu kommen die Saucen, vor allem sahnige Bratensauce und Cranberry-Sauce, die man in Deutschland gut durch Preiselbeer-Sauce ersetzen kann, und stuffing, die würzige Füllung des Truthahns, oft aus einer Mischung aus Brot oder Maisbrot, Gemüse und Speck oder scharfer Wurst zubereitet. Ach ja: Nachtisch fehlt natürlich auch nicht. Besonders beliebt sind Pies, ob nun Pumpkin Pie mit einer zimtig-cremigen Kürbisfülle in knuspriger Teighülle, Apple Pie oder nussiger Pecan Pie.

Ach deshalb sprechen die Amerikaner von „Truthahnkoma“ zu Thanksgiving ... das ist ja jede Menge Essen. Was passiert denn mit den Resten?

Gabi Frankemölle: Rund um „Thanksgiving Leftovers“ hat sich in den USA eine regelrechte Rezeptkultur entwickelt! Es beginnt damit, dass man die „schönen“ Bratenscheiben auf Sandwiches legt. Die unregelmäßigen kleineren Stücke landen zum Beispiel im Nudelauflauf, die ganz kleinen vom Knochen gepulten Brösel werden mit Mayo, Gemüsen und Gewürzen zu Brotaufstrich verarbeitet. Und zuguterletzt kocht man dann noch die Karkasse für eine wärmende Turkey Noodle Soup aus.

Wann haben Sie Ihren ersten Truthahnbraten zu Hause in Deutschland gemacht?

Gabi Frankemölle: Als mein Mann vor fast 20 Jahren berichtete, dass im Nachbarkreis ein Landwirt freilaufende Puten hält. „Echte Monstervögel!“, sagte er. Da erschien vor meinem inneren Auge ein Bild des berühmten amerikanischen Malers Norman Rockwell: Die Familie versammelt sich um den üppig gedeckten Tisch, die stolze Hausfrau stellt die Platte mit dem XXL-Turkey dazu. Das wollte ich auch, vor allem, weil wir zu der Zeit einen Austauschschüler aus den USA hatten. Frei nach dem uramerikanischen Motto „The bigger, the better“ orderten wir dann einen Vogel von 16 Kilo. Wenn ich gewusst hätte, was das für logistische Herausforderungen mit sich bringt! Das Tier ließ die Kühlschrank-Inneneinrichtung zusammenbrechen, passte ohne Beinamputation nicht in den Backofen-Innenraum, und ich musste quasi eine Nachtschicht einlegen, um ihn zum Mittagessen fertig zu bekommen. Aber er schmeckte grandios! Und war natürlich auch ein grandioser Hingucker.

Oh je, das klingt aber kompliziert, und es hat hat ja nicht jeder einen Riesenofen. Geht es beim festlichen Truthahn-Essen auch eine Nummer kleiner?

Gabi Frankemölle: Natürlich geht das, zum Beispiel, indem man nur eine Truthahnbrust zubereitet. Wenn man dabei ein Bratenthermometer benutzt und die Kerntemperatur misst, wird das magere Teilstück auch nicht trocken. Oder man brät Truthahnburger, die eine Thanksgiving-typische Garnitur aus Cranberry-Sauce, Zwiebeln und Kürbis bekommen. Um den Aufwand zu verringern, ist in den USA auch der sogenannte potluck beliebt: Da bringen die Gäste statt Blumen bereits gegarte Beilagen, Salat, Getränke oder Desserts mit. Die Gastgeberinnen und Gastgeber kümmern sich dann „nur“ um den Festbraten und den gedeckten Tisch.

Und was essen vegane oder vegetarische Amerikaner zu Thanksgiving oder zu Weihnachten?

Gabi Frankemölle: Die reichhaltigen Beilagen, Suppe und Dessert sorgen sicherlich schon dafür, dass niemand hungrig vom Tisch aufstehen muss, auch wenn  er oder sie den Truthahnbraten nicht möchte. Netter finde ich es aber, wenn Gastgeber*innen auch für Nicht-Fleischesser*innen eine Hauptspeise anbieten - zum Beispiel Gemüselasagne, mit stuffing gefüllter Kürbis, Bratlinge aus Hülsenfrüchten, eine gefüllte Blätterteigpastete oder eine vegetarische Shepherds Pie-Variante mit Gemüseragout unter der Kartoffelpüree-Kruste.

„American Christmas“ von Gabi Frankemölle und Petrina Engelke, Christian Verlag, 224 Seiten, 29,99 Euro, erschienen 11/2021.

 

 


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